Foto: Kapstadt Oktober 2015

Die ganz private Geburt unserer Tochter
in unserem Daheim

Im Alter von sechs Jahren sagte Jette: 

„Gold und Silber sind das Wertvollste auf der Welt. Doch es gibt noch etwas, das viel wertvoller ist, und das ist Liebe.“ 

Über Jettes Weg, bevor sie auf diese Welt kam, gibt es nur Ahnungen. Jettes Vater Felix und ich möchten aber erzählen, wie ihr Weg auf dieser Welt begann, um viele werdende Eltern zu inspirieren. Bitte lese auch über die Generation des Neuen Jahrtausends.

Ergänzung April 2015:
Jette ist übrigens mit der Veröffentlichung einverstanden. Nachdem ihr eine Schulfreundin nicht glauben wollte, dass sie zu Hause und im Wasser zur Welt kam, konterte Jette ganz entschlossen: 

Doch! Lies meine Geschichte!

Unser Kind

Es war für uns immer klar, dass wir unser Kind bei uns zu Hause auf dieser Welt empfangen wollten. Es war für uns immer klar, dass ich unser Kind, wenn möglich, im Wasser gebäre. Es war für uns auch immer klar, dass wir maximal einen Ultraschall – wenn überhaupt – machen würden. Ausserdem war es uns immer klar, dass wir unser Kind nach dessen Ankunft zunächst einmal kennen lernen wollten, bevor wir alle anderen dazu einladen. Und es war für uns nicht entscheidend, wer da kommt (ob alte oder junge Seele), und wie es kommt (als Mädchen oder Junge, gesund oder behindert). Für uns war klar: Dieses Kind will zu uns. Wir nehmen es so, wie es ist. Und so war es dann auch. Am 13. April 2005 habe ich mit Unterstützung von Jettes Vater und unserer Hebamme eine gesunde Tochter bei uns zu Hause im Wasserpool geboren. Und wir konnten vor, während und nach der Geburt viele Zeichen lesen, die uns wissen liessen: Wir sind geführt!

Zu Beginn der Schwangerschaft, über die wir uns ausserordentlich gefreut hatten, ging es um mein „fortgeschrittenes“ Alter von 42 Jahren. Dementsprechend waren die Reaktionen in unserem Umfeld sehr verhalten: „Was? Ihr bekommt jetzt noch ein Kind?“ Später ging es um unseren Wunsch der Hausgeburt. Wieder waren die Reaktionen ernüchternd: „Was? Zu Hause? Als Erstgebärende? Und dann noch im Wasser? Und wenn etwas passiert?“ Nachdem dann „alles gut ging“ und wir eine wirklich schöne Geburt erlebten, waren wir plötzlich die „Helden“. Heute schauen wir immer wieder in leuchtende Gesichter von Frauen und Männern, die ihr Kind zu Hause gebären möchten und alles rund um unsere erlebte Hausgeburt wissen wollen. Wir schauen aber auch in Gesichter der Enttäuschung und des schlechten Gewissens, weil im Spital „etwas schief ging“ und sie eigentlich gern zu Hause geboren hätten… Deshalb möchten wir hier unsere Erfahrungen weitergeben und hoffen, dass viele werdende Eltern diese so wichtige, hochsensible und intime Zeit in einem ebenso intimen, liebevollen, sensiblen und ganz persönlichen Rahmen erfahren dürfen, wie sie es sich wirklich wünschen. Denn es geht bei einer Geburt um ein Wunder, um eine Erfahrung, die grösser ist als wir, um ein tiefes, spirituelles Erlebnis, schlicht gesagt: es geht um die Schöpfung. Und wir kommen in Kontakt mit unseren Freuden und unseren Ängsten.

 

Meine Frauenärztin

 

Nachdem ich von einer Freundin im Mai 2004 die Adresse einer anthroposophischen Frauenärztin erhielt und kurz darauf Frau Dr. Pollmächer in ihrer modernen Praxis in Zürich/Kilchberg kennenlernte, war klar: Hier bin ich richtig. Wir sprachen über das Absetzen der Pille und unseren Kinderwunsch. Sie reagierte souverän: „Machen Sie sich über Ihr Alter von 42 Jahren keine Gedanken.“ Sie klärte mich darüber auf, dass ich eventuell eine gewisse Zeit warten müsse, bis sich wieder ein regelmässiger Monatszyklus einstellt, und dass es u.U. bis zu zwei Jahren dauern könnte, bis ich schwanger werde. Selbstverständlich musste sie mich auf Grund ihrer Funktion auch über die möglichen Gefahren einer „späten“ Geburt informieren, aber sie blieb stets sachlich und positiv unterstützend. Sie empfahl mir, umgehend mit der Einnahme von Folsäure zu beginnen. Ich begann mit dem täglichen Messen der Temperatur und konnte so meinen Zyklus genau verfolgen. Ich war nach Absetzen der Pille sofort im natürlichen 29-Tage-Rhythmus, und im zweiten Zyklus war ich schwanger! Dabei waren wir ziemlich sicher, dass es ein Mädchen werden würde, denn zwischen unserer Liebesnacht und dem Eisprung lagen fünf Tage. Das überleben normalerweise nur weibliche Spermien. Die männlichen Spermien leben nie länger als einen Tag, heisst es. Wir blieben aber bis zur Geburt offen für beide Möglichkeiten und liessen uns wirklich überraschen.

Mein zweiter Besuch bei Frau Dr. Pollmächer im August 2004 hatte eine ganz besondere Note. Meine Freude war riesig! Wir sprachen über die Geburt bei uns zu Hause und über den besonderen Weg, der jetzt vor uns liegt. Auch dieses Mal musste sie mich auf Grund ihrer Funktion über die Möglichkeiten informieren, die wir hatten. Eine Fruchtwasserpunktion war für uns absolut ausgeschlossen. Die Verletzungsgefahr für das Kind durch solch einen Eingriff erschien uns zu hoch. Das Kind eines Bekannten wurde während der Fruchtwasserpunktion am Kopf getroffen und kam querschnittgelähmt zur Welt. Desgleichen verzichteten wir auf einen Ultraschall, da bekannt ist, dass durch dieses Verfahren im Bauch die Lautstärke eines Düsenjets erzeugt wird. Für Frau Dr. Pollmächer war unsere Haltung ok. Sie erklärte, welche Möglichkeiten ein Ultraschall bietet, liess uns unsere Entscheidungsfreiheit, und nach eingehender Überlegung entschieden wir uns für einen einzigen Ultraschall. Frau Dr. Pollmächer empfahl uns hierfür die Woche 22 oder 23, da zu diesem Zeitpunkt ein vollständiger Scan möglich sei.

Bei meinem dritten Besuch bei Frau Dr. Pollmächer war Felix dabei, und ich muss gestehen, ich war sehr aufgeregt. Uns war klar, dass es eine Gelegenheit ist, die uns unser Kind „schenkt“, ein einziges Mal diese Technik anzuwenden, um einen „Einblick von aussen“ nehmen zu dürfen. Es war für mich sehr emotional. Der Moment, wo sich plötzlich dieser kleine Mensch auf dem Bildschirm bewegte, spülte alles, was ich an Emotionen in mir trug, an die Oberfläche. Da ist LEBEN in meinem Bauch! Ich löste mich fast auf und empfand eine totale Verschmelzung mit dem Kind. Für kurze Zeit war ich nur noch Energie… Felix‘ streichelnde Hand liess mich Liebe pur spüren. Während Frau Dr. Pollmächer versuchte, der Geschwindigkeit unseres Kindes zu folgen, fragte sie mich kurz: „Ist alles in Ordnung?“ „Ja, es ist alles in Ordnung.“

Durch diesen „Scan“ konnten bis auf das Profil des Gesichtes alle massgeblichen Punkte kontrolliert werden: Der Rücken war gut geschlossen. Die Gelenke waren gut ausgebildet. Das Herz arbeitete richtig. Die Arme und Beine waren richtig ausgebildet usw. Nur das Gesichtsprofil konnte Frau Dr. Pollmächer nicht prüfen, weil sich unser Kind einfach zu schnell bewegte, sprich: vor den lauten Schallwellen zu fliehen versuchte. Damit war die Frage nach einem möglichen offenen Rachen (Hasenscharte) nicht beantwortet. Aber das war uns nicht wichtig.

Unsere Hebamme

 

Zu Hause angekommen, nahm ich die Adressliste der Hebammen, die mit Frau Dr. Pollmächer zusammen arbeiten und von ihr empfohlen wurden, in die Hand und wählte intuitiv den Namen Petra Graf. Im Dezember 2004 lernten wir uns kennen. Es war Sympathie auf den ersten Blick. Die zwei Stunden verliefen wie im Flug, denn Petra ist spezialisiert auf Hausgeburten und sprudelte nur so mit schönen und berührenden Geschichten. Sie gab uns viele wertvolle Informationen, u.a. dass uns bei einer Hausgeburt die Spitex bei der Vorbereitung und im Wochenbett Unterstützung anbietet und dies von der Krankenkasse bezahlt wird, wenn es rechtzeitig angemeldet wird. Petra betonte immer, dass wir die Geburt durchführen und sie „nur“ assistiere. Und dann kam von Petra ein deutliches ABER: „Mit einer Ausnahme: Wenn es zu Komplikationen kommt, dann bin ich der Boss!“ D.h. falls es schnell gehen müsste und ein Entscheid für die Verlegung ins Spital nötig wäre, wollte Petra nicht diskutieren, sondern sie entscheidet. Wir hatten in Petra auf Anhieb unsere ganz persönliche Hebamme gefunden und bemerkten erst im Laufe der gemeinsamen vier Monate, welche Kraft darin liegt, eine Profi-Frau um sich zu haben, die nicht nur zur engsten Vertrauensperson wurde, sondern auch ein sehr weiser Mensch ist. Hebammen besitzen ein irdisches und ein spirituelles Wissen um die Gesetze der Schöpfung. Das wurde uns durch die Zusammearbeit sehr bewusst.
Sie empfahl uns u.a. auch die Bücher von Michel Odent, dem renomierten Artz und Begründer der Wassergeburt. Sein Buch „Im Einklang mit der Natur – neue Ansätze der sanften Geburt“ gab uns viele wichtige Impulse und bestärkte uns definitiv in unserem Vorhaben, zu Hause im Wasser zu gebären.

Die fünf Vorbereitungsuntersuchungen wurden alle von Petra bei uns zu Hause durchgeführt mit einer Schlusskontrolle durch Frau Dr. Pollmächer. Um die Herztöne unseres Babys zu kontrollieren, horchten Petra und Frau Dr. Pollmächer beide nicht mit Ultraschall, sondern mit einem Holzrohr. In der Zwischenzeit kam die Chefin der Spitex zu einem Vorgespräch vorbei und notierte unsere Bedürfnisse der Betreuung. Das Personal der Spitex übernimmt während zehn von der Krankenkasse bezahlten Tagen den Einkauf, das Kochen, Wäsche waschen, Bügeln, Staub saugen, aber kein Fensterputzen. Wir waren sehr dankbar, dass Antonella vor und nach der Geburt für uns da war. Auch sie arbeitete ganz als Profi – speditiv, freundlich und immer diskret. Die letzten Vorbereitungen durch Petra waren Akupunktur und Homöopathie, damit das Gewebe weicher wird. Das Spital „für den Notfall“ war avisiert. Wir mieteten im Geburtshaus Zürcher Oberland in Wald ZH für einen Monat einen Wasserpool, den wir natürlich gleich testeten (Die Kosten von CHF 100.- übernimmt die Krankenkasse, wenn man es vorher anmeldet). Dann konnte das Nestbauen beginnen.

 

Unsere Hausgeburt

Am 13. April 2005 um 01h30 in der Nacht wurde ich durch einen Faustschlag in meinem Bauch geweckt. „Mama! Es geht los!“ war die klare Botschaft. Um 04h30 war Petra bei uns. Sie begrüsste mich lächelnd mit der Frage: „Häschs Köferli packt?“ Nein. Ich hatte kein Köfferchen für die Verlegung ins Spital gepackt. Und wenn es dazu kommen würde, sind die wenigen Utensilien von Felix schnell beisammen gesucht. Das Feuer im Kamin verströmte einen wohligen Duft. Die Musik war absolut stimmig gewählt. Gut verpackt in meiner Lieblingswolldecke kommunizierte ich zwischen den Wehen meditierend mit unserem Baby. Es war ein vollkommen harmonisches und natürliches Miteinander zwischen uns drei und unserem Kind. Ein total absurder Gedanke, jetzt das Haus verlassen zu müssen, um mich in die Anonymität und technische Atmosphäre eines Spitals zu begeben… Nachdem wieder eine Wehe vorbei war, sagte Petra schmunzelnd: „Diese Wehe ist vorbei. Sie kommt NIE wieder.“ Was für ein schönes Bild. Das erleichterte umgehend meine Haltung gegenüber jeder weiteren, die noch kam.

Und dann stand da geduldig unsere grüne Tara am Kamin als Sinnbild für all die Milliarden von Frauen der gesamte Erdgeschichte, die es vor mir geschafft haben. Jeder Blickkontakt mit dieser tibetischen Gottheit gab mir die gebündelte Kraft all der Mütter, die es geschafft haben und liess einen Teil der Schmerzen einfach verfliegen. So konnte ich ungeheure Kräfte freisetzen! Zu meiner grossen Überraschung fühlte ich, dass wir Frauen im unteren Rücken ein Gelenk oder „Scharnier“ haben, welches das Becken öffnet! Somit war es eine grosse Wohltat, dass Felix mit seiner Hand an meinem Rücken bei jeder Presswehe einen kräftigen Gegendruck erzeugte. Petra blieb immer dezent im Hintergrund, machte Notizen und bat mich von Zeit zu Zeit, die Position zu wechseln zwischen Sitzen, Liegen, Hocken, Stehen, Gehen. Denn Gebären ist Bewegung resp. Leben ist Bewegung.

Unterdessen ging die Sonne auf, und Felix öffnete alle Vorhänge. Ein schöner Morgen. Um 06h30 begann Felix, alle seine Klient/innen anzurufen, die heute bei ihm einen Termin gehabt hätten. Fast alle waren erstaunt, dass wir „zu Hause“ sind… Dann veränderte sich der bisherige Press-Schmerz. Er bekam eine andere Qualität. Er wurde stechender. Dies waren keine Presswehen mehr, sondern die letzte Phase des Austritts begann. Kurz danach um 11h00 platzte die Fruchtblase, direkt über dem WC – mein Lieblingsort während der Presswehen. Dann ging es ganz schnell. Felix und Petra sahen schon das Köpfchen. Nun wurde es Zeit! Petra drängte, dass ich aufstehe und zum Pool gehe. Am Pool ankommend, kam bereits die nächste Welle. Ich stand breitbeinig am Pool, hielt mich am Rand des Pools fest, und „es presst“. Danach stieg ich vorsichtig über den Poolrand ins Wasser und machte es mir im Luftring bequem. Das Wasser gab wunderbaren Auftrieb von unten. Was für eine Erleichterung. Herrlich!

In diesem Moment kam auch Felix ins Wasser. Nun wurde es auch für ihn „ernst“. Wir sassen uns gegenüber. Petra stand ausserhalb des Pools und gab Kommando: „Silke, nicht mehr pressen! Nur noch atmen!“ Nach Stunden des Pressens war ich so im Rhythmus, dass ich nicht sofort reagierte. Dann wurde Petra lauter und energischer: „Silke, nicht mehr pressen, nur noch atmen!“ Ich erinnerte mich an die Geburtsvorbereitung, als Petra erklärte, dass wir nur eines können: entweder pressen oder atmen. In diesem Moment liess ich alles los und atmete tief in den Schmerz hinein. Ich war ganz klar und wach und konnte alles genau beobachten. Ich konnte meinen Beckenboden vollkommen entspannen.

Dann kam ein grosser Gefühls-Höhepunkt: Durch die Entspannung liess ich das Baby los, und ich spürte genau, wie es ganz allein weitermachte! Das Baby schraubte sich von allein durch den Geburtskanal hindurch! Petra und Felix riefen: „Das Köpfchen kommt!“ Unser Baby presste sich ganz allein durch die Öffnung hindurch. Und plötzlich waren alle Schmerzen weg. Der dickste Teil des Baby-Körpers, der Kopf, war durch den Kanal hindurch, das Baby flutschte unter Wasser heraus und schwamm in Felix Hände. Petra drehte ihren Kopf zur Uhr. Es war 11h11. Ich war sehr erleichtert, sehr glücklich und konnte mich nun vollkommen entspannen.

Kein Dammriss, kein Dammschnitt, keine Medikamente, kein Rückgang der Wehen, kein Schichtwechsel der Hebamme, keine Hektik oder künstliche Dramatik, keine fremden Gerüche, kein grelles Licht, keine maskierten, nur flüchtig bekannten Menschen in weissen Kitteln um mich herum, niemand der dreinredet und stört. 

Einfach nur eine ganz natürliche Geburt in ganz privater, persönlicher und intimer Atmosphäre mit Menschen meines Herzens und meines Vertrauens. 

Eine ganz natürliche Geburt mit ganz natürlichen Schmerzen, in unserem ganz individuellen Rhythmus, geleitet durch die Liebe und die Kraft zwischen Mutter, Vater und Kind, gehalten durch die Weisheit der Hebamme und gesegnet durch viele unsichtbare Helfer. Eine ganz natürliche Geburt – das Geburtsrecht eines jeden Menschen.

Erst später wurde mir klar, welche grosse symbolische Bedeutung dieser Geburtsakt hatte: Da im Anfang alle weitere Entwicklung bereits wie in einem Keim enthalten ist, weiss ich jetzt, dass ich als Mutter unser Kind im Leben immer bis zur Tür begleiten kann – egal in welcher Situation. Es muss aber selbständig aus eigener Kraft hindurch gehen. Und unser Kind schafft es!

Während ich mich auf dem Bananenluftkissen entspannte, hielt Felix unser Baby in seinen Händen voller Staunen über das grosse Wunder, das geschehen war. Das Baby schaute ihn von unten aus dem Wasser an, als ob es sagen wolle: „Hallo Papa, jetzt bin ich hier.“ Es schwamm noch eine Weile unter Wasser. Petra fotografierte alles. Irgendwann legte Petra mir dann unser Baby auf meinen Oberkörper und Felix flüsterte mir ins Ohr: „Es ist eine Jette.“ Wau!! In diesem Moment durchfloss mich etwas Numinoses! Jetzt ist sie hier. Das Mädchen, was sich mir das erste Mal vor acht Jahren in einer klaren Vision zeigte und mir ihr Kommen übermittelte, zu einem Zeitpunkt, als ich Felix noch gar nicht kannte.

Einige Zeit später durchtrennte Felix dann die Nabelschnur mit einer Schere, die von Petra nur für diesen einen Zweck verwendet wird. Wir wollten die Nabelschnur eigentlich auspulsieren lassen, aber da Jette etwas „müde“ wirkte, drängte Petra auf ein früheres Durchtrennen. In diesem Moment schien Jette aufzuwachen und wurde „lebendig“. Ca 45 Minuten nach der Geburt bat Petra mich, aus dem Wasser auszusteigen, damit ich nicht zu kalt werde. Ich legte mich auf die Sonnenliege und wurde eingehüllt in warme Tücher (ein kleiner Heizofen wirkt Wunder). Unterdessen war fast eine Stunde vergangen, und die Plazenta war immer noch nicht geboren. Petra musste etwas drängeln und sagte: „Silke, ich mache jetzt etwas, das ich nicht gerne tue und auch nur ein einziges Mal tun werde. Ich entschuldige mich bereits im Vorfeld.“ Dann presste sie ihr ganzes Gewicht auf meinen Oberbauch und – platsch – flutschte die komplette Plazenta heraus. Erst jetzt war die Geburt wirklich abgeschlossen!

Die Plazenta sollte nie länger als eine Stunde nach der Geburt noch im Bauch sein, da sie sonst wieder anwachsen und dann nicht mehr gefahrlos heraus kommen könnte. Nun ist alles gut! Und Petra staunte: Die Plazenta war 1A. Sie war ganz dunkelrot und sehr kräftig! Ein gutes Zeichen, dass Jette im Bauch optimal versorgt wurde. Später entnahm Petra ein Stück aus der Plazenta, um daraus Plazenta-Globuli herstellen zu lassen. Und ein Jahr später beerdigten wir die bis dahin eingefrorene Plazenta im nahe gelegenen Wald unter einem jungen Baum.

Nachdem Jette das erste Mal an meiner Brust getrunken hatte, begann Petra, Jette zu wiegen, sehr liebevoll die üblichen Tests durchzuführen, die Nabelschnur-Wunde sorgfältig zu versorgen und ihr die ersten Kleider anzuziehen. Petra legte Jette in ein weiches Tuch und zog sie mit der Handwaage in die Luft. 2,8 kg, ein Leichtgwicht. Ich filmte alles, Felix fotografierte alles. Jettes langgezogener, ailien-artiger Hinterkopf sah zunächst etwas gewöhnungsbedürftig aus, aber es ist ja bekannt, dass die Schädelknochen nicht fest verwachsen sind, sondern sich verschieben, um in Kombination mit der Öffnung des Mutter-Beckens den optimalen Austritt bei der Geburt zu ermöglichen. Da bei der Geburt ein bestimmter „Stress“ für das Baby entsteht, war es natürlich wichtig, dass Felix Jettes Energieströme gleich am nächsten Tag mit cranio-sacraler Osteopathie wieder harmonisierte durch sanfte Berührungen der einzelnen Schädelknochen.

Unterdessen hatte Petra eine chinesische, vegetarische Kraftsuppe (Hühnersuppe, ohne Fleisch, mit Pilzen) gekocht, damit ich wieder zu Kräften käme, ein Ritual aus der langen Geschichte der weisen Hebammen (zu bestellen bei »Lian.ch). Das war wirklich eine „spezielle Suppe“, die ich nicht unbedingt täglich essen würde, aber sie gab Kraft, und das war wichtig. Ich war mit meinen Hormonen im Hoch und rief meine Eltern an, um die frohe Botschaft zu überbringen. Dann gingen wir zu dritt schlafen, Jette in der Mitte.

Petra hatte unseren Haustürschlüssel und kam ein paar Stunden später wieder, um nach dem Rechten zu schauen. Nachdem wir während 3 Monaten vor der Geburt schon zusammen gearbeitet und uns immer besser kennengelernt hatten, gemeinsam durch den Geburtsprozess hindurchgegangen waren, begleitete Petra uns nun auch nach der Geburt während zehn Tagen täglich zwei Stunden. Am 6. Tag badeten wir Jette das erste Mal, da sie nun für diese grosse Herausforderung einigermassen stabil war. Petra lehrte uns so viel. Sie war nicht nur unsere weise Lehrerin, sondern sie wurde zu einer wahren Ersatz-Mutter. Durch ihre Hilfestellung, durch ihr Lachen, ihre Geduld, ihre unendliche Liebe zur Schöpfung und durch ihre stetige Achtsamkeit als Hebamme kamen wir unmittelbar in Kontakt mit einer archaischen Kraftlinie von weisen Frauen, durch die das Wissen von Frau zu Frau (und zu Mann) und von Generation zu Generation weitergegeben wird – eine zutiefst berührende und spirituelle Erfahrung.

PS: Während Jette in unserer Welt ankam, hatte ihre Gotte (Patentante) eine Audienz beim Papst Benedict XVI in Rom. Jette war geboren, und kurz darauf schickte Martina uns dieses Foto mit dem Kommentar: "Ich habe gerade dem Papst die Hand geschüttelt." Was für eine wunderschöne Fügung – und Symbolik.

 

Unsere Kinderärztin

 

Drei Tage später empfingen wir die antroposophische Kinderärztin Frau Dr. Regine Müller aus Zürich, die uns von Petra empfohle wurde, um Jette zu untersuchen. Wir verbrachten am Esstisch gemeinsame 1,5 Stunden des Gespräches, hauptsächlich über Gefühle und Empfindungen. Am Schluss sagte sie: „Frau Schäfer, ich sehe Sie, ich sehe das Kind, ich höre Ihre Geschichte. Was soll ich hier? Ich werde das Kind nicht untersuchen. Das Kind ist gesund. Das war eine reife Geburt.“

Beim Abschied zeigten wir ihr noch den Pool, der im Wohnzimmer stand. Frau Dr. Müller breitete ihre Arme aus und sagte voller Freude: „Das ist der heilige Ort.“ Wir drei schauten uns an, sahen unsere Augen funkeln und versanken in einer tiefen Umarmung im Kreis, mit Jette auf meinem Arm. Nachdem Frau Dr. Müller gegangen war, wurde uns klar, dass der Pool seinen Dienst geleistet hatte und nicht mehr zum Baden da war. Der Pool musste abgebaut werden. Ich wurde sogar ein wenig aggressiv und drängte Felix: „Der Pool muss weg!“ Nachdem Felix am Abend den Pool abgebaut hatte, war uns beiden wohler. Jetzt war alles wieder ein seinem rechtmässigen Platz. Jetzt war alles gut.

 

Unsere Kosten

 

Eine Geburt wird in der Schweiz in drei Etappen abgerechnet: die Vorbereitung, die Geburt, die Nachbetreuung. Die Kosten unserer Geburt zu Hause betrugen CHF 3’240.- (Stand 2005) inkl. drei Monate Vorbereitung und 10 Tage Wochenbett-Betreuung durch unsere Hebamme Petra Graf. Den Wasserpool mieteten wir im Geburtshaus für CHF 100.- für einen Monat. Alle Kosten wurden von der Zusatzversicherung der Eidgenössischen Gesundheitskasse EGK übernommen, mussten aber rechtzeitig vorher von uns angemeldet werden.

Fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse nach den entstehenden Kosten der Vor- und Nachbereitung. Fragen Sie im Spital nach den entstehenden Kosten der Geburt. Je nach Arzthonorar, Versicherung, Spital, Geburtsumstände liegen die Kosten für eine „normale durchschnittliche“ Geburt im Spital zwischen CHF 4’500.- und CHF 9’000.-; die Kosten einer „normalen“ Kaiserschnitt-Geburt liegen bei ca CHF 15’000.- exkl. Vor- und Nachbereitungskosten (Stand 2005).

 

 

Unsere Gedanken

 

Wir fragen uns, warum sich in der Schweiz nur 2% aller Eltern für eine Hausgeburt entscheiden. Liegt es an der nicht stattfindenden Aufklärung, Desinformation?

Warum ist heute in Holland die Hausgeburt das Normale, und nur bei einer entsprechenden Indikation erfolgt eine Geburt im Spital?

Haben Sie sich schon einmal überlegt, dass ausserklinische Geburten wesentlich kostengünstiger sind als Klinikgeburten?

Warum gibt es heute so viele Routine-Ultraschalls? Gemäss unserer Frauenärztin führt das amerikanische Modell mittlerweile auch hier in Europa dazu, dass sich so manche Gynäkologen in einem Zwiespalt befinden zwischen ehrlichem Interesse für eine optimale Geburtshilfe und der Notwendigkeit der Absicherung ihrer eigenen Karriere gegen mögliche spätere Schadensersatzansprüche der Eltern, falls etwas schief gehen sollte. Oft werden von den Ärzten so viele Untersuchungen verkauft nicht für die „Sicherheit“ des Kindes, sondern um sich selbst abzusichern.

Finden Sie die Motivation Ihrer Ärztin / Ihres Arztes heraus. Fragen Sie sie, ob sie schon einmal bei einer ausserklinischen Geburt, sei es einer Hausgeburt oder in einem Geburtshaus oder ganz woanders, anwesend waren, und ob sie dies unterstützen. Suchen Sie sich rechtzeitig eine freischaffende Hebamme, die nach Möglichkeit auch als Beleghebamme in einem Spital arbeiten darf, so dass eine durchgehende Zusammenarbeit und vollständige Vertrauensbasis gewährleistet sind. Holen Sie sich gezielt die Informationen, die Ihnen Sicherheit geben, und vertrauen Sie Ihrem natürlichen Menschenverstand, Ihren Hormonen und vor allem Ihrer heiligen Fähigkeit, Mutter werden zu können.

Im Juli 2009 erschien dann das schöne und berührende Buch Luxus Privatgeburt – Stolze Mütter über die Kunst des Gebärens in den eigenen vier Wänden. Eine fotografische Liebeserklärung an Hausgeburt und neue Weiblichkeit“, von Martina Eirich und Caroline Oblasser. Unsere Geschichte finden Sie dort auf den Seiten 198/199. Ebenfalls aus der Edition Riedenburg stammt auch das Buch Der Kaiserschnitt hat kein Gesicht – Fotobuch, Wegweiser und Erfahrungsschatz aus Sicht von Müttern und geburtshilflichen Expertinnen. Weitere Infos hier.

Sofern in Ihnen der Kinderwunsch erwacht, empfehlen wir, sich mit der Qualität Ihres Blutes zu beschäftigen. Mit Hilfe der Dunkelfeldmikroskopie konnten wir während 1,5 Jahren vor der Empfängnis unser Blut von vielen Schlacken befreien und dabei sogar alte familiäre Informationen mittels isopathischen und homöopathischen Mitteln ausleiten, so dass die Blutversorgung unserer Tochter so rein wie möglich war.

Man ahnt ja gar nicht, was sich da so alles im Blut tummelt, was gar nicht dort sein sollte: Aspergillus niger (schwarzer Pilz), Geldrollen (Stress), Nierenkristialle (Steine), verformte rote Blutkörperchen, Wurm (Parasit).

Prüfen Sie, welchen Weg Sie gehen möchten, und welche Geburts-Informationen Sie Ihrem Kind auf dessen Weg mitgeben wollen. Denn so, wie Sie den Übergang ins Leben gestalten, so gestalten sich alle Übergänge im weiteren Leben. Die einzigen Fragen, die ich vor der Geburt von einem mehrheitlich verängstigten Umfeld immer wieder hörte, waren: „Hast Du keine Angst? Und wenn etwas passiert?“

Ja, aber wenn nichts passiert? Wenn es eine ganz normale natürliche Geburt wird unter Ausschüttung des Liebes- oder Glückshormons Oxytozin, das vom ersten Tag eine tiefe Mutterbindung erzeugt? „Ja, dann …“ Ja, dann haben wir unserem Kind einen optimalen Start ins Leben und viel Urvertrauen ermöglicht. Dies wünschen wir allen Eltern und Kindern und unserer ganzen Gesellschaft.

Silke Schäfer & Felix Joy